Ein Kriegsende by Lenz Siegfried

Ein Kriegsende by Lenz Siegfried

Autor:Lenz, Siegfried [Lenz, Siegfried]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Ein schlaffer Danebrog hing über der bröckelnden Festung, auch das Krankenhaus war beflaggt und die Auktionshalle der Fischer und sogar der ramponierte Bagger, der nach einer mysteriösen Explosion seine Eimerkette verloren hatte. Staunend sahen sie von den Ufern zu uns herüber, als wir durch den Sund in den Hafen einliefen; offenbar hatte niemand angenommen, daß MX 12 noch einmal zurückkehren, wie immer in der Mitte des Hafenbeckens wenden und vor dem Gebäude des Hafenkommandanten festmachen würde. Jetzt, im Hafen, ließ der Kommandant unserer Eskorte das Schnellfeuergeschütz besetzen; sie warteten, bis wir angelegt hatten, dann wendete auch das flache, schlanke Boot und ging hinter uns an die Pier.

Sie hatten uns erwartet. Kaum waren die Leinen rübergegeben, als ein bewaffneter Zug — Seestiefel, Koppelzeug, Karabiner umgehängt — aus dem Schatten der Kommandantur heranmarschierte, von einem Offizier befehligt, der seinen Auftrag so sicher erfüllte, als hätte er alle Einzelheiten vorher geübt. Er ließ den Zug vor dem Laufsteg halten, kam mit raschen Schritten an Bord und ging blicklos und ohne Zögern an unseren Männern vorbei zur Kammer des Kommandanten, wo er bei offener Tür weniger verhandelte als Meldung überbrachte und danach den Kommandanten und den Ersten Wachoffizier an den Laufsteg geleitete.

Der Kommandant sprach mit keinem von uns. Er sah nicht zur Brücke hinauf, wandte sich nicht ein einziges Mal um; achtlos und in sich gekehrt ging er auf das getünchte Gebäude zu, ohne dem I.W.O. zu danken, der ihm die Tür aufhielt. Nachdem er verschwunden war, gab der Offizier zwei Marinesoldaten einen Wink, und zu dritt erschienen sie auf der Brücke; ernste, verschattete Gesichter.

Sie sind festgenommen, sagte der Offizier, und das war schon alles, kein erläuterndes Wort, keine bedauernde oder auffordernde Geste, nur diesen einzigen Satz, der für uns alle auf der Brücke galt. Beim Abstieg spürte ich die Erschöpfung; wir alle mußten uns am Geländer festhalten, auch der Steuermann. An Deck, vor dem Laufsteg, sammelte sich die Besatzung, widerwillig öffneten die Männer eine Gasse für uns, manche nickten uns aufmunternd zu, stubsten uns zuversichtlich. Bis bald, sagten sie, oder: Nur ruhig Blut, oder: Das kriegen wir schon hin. Ein Befehl des Offiziers forderte sie auf, sich bereitzuhalten.

Bevor wir die Kommandantur betraten, drehte ich mich noch einmal um und sah zu unserem Boot zurück und hinüber zum anderen Ufer, zu den Kuttern und Prähmen, wo sie in diesem Augenblick nicht ihrer Arbeit nachgingen, sondern starr zu uns herüberlinsten, gebannt von einem Ereignis, für das sie keine Erklärung fanden.



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